Lieber Leidensgenosse.

Manchmal braucht es eine starke Person, um einen Konflikt zwischen Zweien zu brechen.
Eine/r, der/die auf den/die Andere/n zugeht und sagt "Es tut mir Leid"
Der Gedanke zuvor ist der "des klein machen".
"Ich lauf dem doch nicht hinterher!" heisst es dann.
Ist die Grenze doch erstmal überwunden, kann man nur daran wachsen, denn man hat selbst den ersten Schritt gemacht das eigene Leiden (ist dies denn der Fall) aktiv zu beenden.

In meinem Falle spreche ich nun von meinem leiblichen Vater, welcher nach der Trennung meiner Eltern in Australien geblieben ist. Meinem Geburtsort. Kennengelernt haben wir uns, als ich 14 war. Schon länger wusste ich, dass ich zwei Väter habe und einer davon bei den Kängurus lebt. Doch eine Adresse, eine Telefonnummer gab es erst mit 14. Als der Kontakt geknüpft war, ging es rüber.
6 Wochen, 6.000 Kilometer Asphalt auf der Harley Davidson, Campen unter freiem Himmel, Bohnen aus der Dose, Kamelreiten, Tauchen im Great Barrier Reef, Shows, National Parks, das volle Programm Australien. Das erste Date mit meinem Geburtsland.
Kein Wunder, dass der Mann mein Held war und ich mein Herz in Australien liess!
Wir schworen uns, dass ich bei ihm leben würde, sobald die Schule beendet war und mit dieser Überzeugung packte ich dann auch meine sieben Sachen und winkte meiner Mama und meinem Papa  mit 16 "Auf Nimmer Wiedersehen". Ich war mir sicher Deutschland nicht wieder zu besuchen.

Doch die Pubertät und das Alter bringen so einiges mit sich und so geriet mein jugendlicher Leichtsinn mit seiner "Das hat man aber schon immer so gemacht"- Einstellung schnell an einander.
Nach einem halben Jahr wurde das Projekt "Down Under" schweren Herzens abgebrochen.
Mit gerade mal 16 lag ich schwer depressiv daheim und flüchtete mich ins Kiffen, in Alkohol und ins Scheiße bauen. Immerhin musste man dann ja nicht fühlen. Der Kontakt war abgebrochen.
Jeder Versuch, jeder Brief, den ich in tiefster Verzweiflung schrieb verhallte im Nichts.

Ein Jahrzehnt des Schweigens später stehe ich in einer Therapiesession bei meiner Ausbilderin einem Mann gegenüber, der die Stellvertretung für meinen Vater übernommen hat und schreie ihm entgegen, was ich all die Jahre zurück hielt. Betroffen nimmt er es entgegen und bittet um Verzeihung. "Er konnte ja auch nicht anders." Diesen Satz bereits erwartend, verspüre ich nur Wut.

Doch das Familienstellen, welches ich nicht nur selbst gebraucht habe, sondern nunmehr auch erlerne, war eine einmalige Gelegenheit zu sehen, was tatsächlich los ist. Schnell wird deutlich, wie wichtig die leiblichen Eltern für den eigenen Lebensweg sind. Wie wichtig es ist mit ihnen im Reinen zu sein oder sie einfach zu Achten und im Herzen zu tragen. Doch zur Ausbildung und ihren Inhalten gehe ich ein anderes Mal nochmal ein. Für mich war klar: Ich muss nochmal mit ihm sprechen.
Und so ging ein gutes Jahr ins Land, der Gedanke formte sich zunehmend. In Aufstellungen standen wir uns immer entspannter gegenüber und ich sah, dass er im Herzen bereit ist.
So kaufte ich vor einigen Wochen eine Guthabenkarte und fasste mir vor einigen Tagen ein Herz
und rief an..

Am Telefon hatte ich einen merklich älteren Mann, als ich kannte.
Er war überrascht, schwieg zunächst und sagte dann er freut sich, dass ich mich gemeldet habe.
"Ich bin mir sicher, das tut uns beiden gut" sagte ich.
"Ja, das tut es. Lass uns das Alte begraben, Miriam"
Der erste große Schritt war getan und eine jahrelange Last durfte einfach abfallen.

Ich fühle mich durch mein selbstbestimmtes Handeln, den Mut, den ich fassen musste, um dieses Telefonat zu führen zigfach gestärkt und darin bestätigt, dass es nie zu spät ist, um zu sagen, was gesagt werden muss!
Und ich habe nochmal selbst bestätigt, was ich bereits mit 16 sagte:
 "Es muss Frieden herrschen, damit wir beide glücklich unserer Wege gehen können"

Jeder, der solch eine Rechnung noch offen hat, der an einem Konflikt knabbert, sei es in der Familie, unter Freunden oder Exgeliebten, den würde ich mit diesem Beitrag zu gern darin bestätigen diese Konflikte ruhen zu lassen. Kommt in eure eigene Stärke, sagt, was raus muss und wachst daran.
Ich hätte es selbst nicht gedacht, hätte ich es nicht getan.

Ich wünsche euch alles Gute dafür!



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